Phylogenetische und geographische Analysen der Orchideengattung Bulbophyllum in Madagaskar und den Mascarenen
Von den 210 beschriebenen madagassischen Arten der Orchideen-Gattung Bulbophyllum kommen 98 % nur auf der Insel vor. Die intensive lokale Artbildung macht die Gattung zu einem idealen Modellsystem zur Erforschung von Evolutionsprozessen. Allerdings ist über viele Bulbophyllum-Arten immer noch wenig bekannt; zugleich sind sie durch den Verlust von Lebensräumen oder illegale Besammlung stark bedroht. Daher hatte das Projekt mehrere Ziele: Neben der Erforschung der Artenvielfalt, der Stammesgeschichte (Phylogenie) und der biogeographischen Verteilung der Bulbophyllum-Arten in Madagaskar sollten die Ergebnisse auch für den Natur- und Artenschutz nutzbar sein.
Intensive Geländearbeit (4 Exkursionen nach Madagaskar), sorgfältige Analyse der älteren Aufsammlungen und internationale Zusammenarbeit der Forscher der Universitäten Wien und Salzburg u.a. mit dem Botanischen und Zoologischen Park Tsimbazaza in Madagaskar, dem Nationaal Herbarium Nederland und den Royal Botanic Gardens in Kew bildeten die Grundlage der Untersuchungen. Zudem wurde in Madagaskar, Wien und Salzburg eine große Sammlung an Lebend-Pflanzen aufgebaut, die für molekulare und morphologische Studien genutzt wurde und eine hervorragende Grundlage für Folgeprojekte darstellt.
Es zeigte sich die Notwendigkeit einer taxonomischen Gesamtbearbeitung der Gattung Bulbophyllum für Madagaskar; bislang wurden zwei Bulbophyllum-Arten und eine Sektion neu beschrieben; weitere Neubeschreibungen und Sektionsrevisionen werden noch folgen. Mittels DNA-Analysen wurde ein Stammbaum erarbeitet, der zeigt, dass (mit einer Ausnahme) alle madagassischen Arten auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgehen. Durch die Verknüpfung der Stammbaum-Daten mit Verbreitungsmustern (basierend auf GIS-Daten-Analysen) konnte festgestellt werden, wie Artbildungsmuster mit klimatischen, geologischen und ökologischen Parametern korrelieren. Dabei wurde deutlich, dass das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Bulbophyllum-Arten in Madagaskar in den nordwestlichen Regenwäldern gelegen haben dürfte. Die Besiedlung der restlichen Insel erfolgte erst seit c. 8-7 Millionen Jahren, nachdem sich im Inselinneren durch klimatische Veränderungen Monsunwälder gebildet hatten, über die eine schrittweise Anpassung an die Bedingungen der Trockenstandorte im Südosten möglich wurde.
Die Forschungsergebnisse sind auch für Natur- und Artenschutz in Madagaskar nutzbar. Die neuen Verbreitungsdaten weisen Regionen aus, die durch ihren Artenreichtum besonders schützenswert sind. Die Lebendsammlungen von Bulbophyllum, speziell die Pflanzen in einer Schattenhalle in Madagaskar, die während des Projekts aus österreichischen Drittmitteln gebaut worden war, bilden den Grundstock einer Schutzsammlung madagassischer Orchideen und stellen damit einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung der Biodiversitätskonvention (CBD) dar.